Apochromasie

Speziell das Thema Farbreinheit ist bei Amateurastronomen immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Ich möchte hier mit zwei Grafiken einen Überblick geben, der insbesondere auch das „Auge des Betrachters“ einbezieht.

Übersicht zur Farbsichtigkeit des Auges

Bei guter Beleuchtung ist sowohl die Sehschärfe als auch die Farbsichtigkeit optimal. Bei abnehmender Helligkeit (Dämmerungssehen) wechselt das Auge vom photopischen Sehen zum mesopischen Sehen. Die Empfindlichkeit nimmt zu, das Farbsehen lässt allmählich nach. Beide Bereiche sind im Zusammenhang zur Farbreinheit von Objektiven von Belang. Gerade im mesopischem Bereich unterscheiden sich Personen in Ihrer Farbtüchtigkeit deutlich voneinander und auch der Sehwinkel spielt eine große Rolle.
Der häufig im Zusammenhang mit „Farbsehen bei Nacht“ genannte skotopische Bereich spielt im Zusammenhang mit Farbreinheit von Optik keine Rolle, da in diesem Bereich keine Farben erkannt werden können!

Das relative Helligkeitsempfinden des Auges verschiebt sein Maximum mit abnehmender Beleuchtungsstärke in Richtung des blauen Spektrums. Bei Mondbeobachtung am Teleskop ist von genügend hoher Leuchtdichte auszugehen die dem photopischen Bereich zuzuordnen ist, während Planetenbeobachtung sich durchaus im mesoptischen Bereich bewegt, was natürlich auch vom Optikdurchmesser und der verwendeten Vergrößerung abhängt.

Strehlkurven

Strehlkurven sind gut geeignet einen Überblick zur Beurteilung der Farbreinheit eines Apochromaten zu gewinnen. Bei diesen Kurven sind die häufig diskutierten Themen wie FPLGläser/Fluorit mit Partnergläsern, als auch die Öffnung und das Öffnungsverhältnis bereits berücksichtigt. Ist die Strehlkurve bekannt, so kann der Betrachter daraus die zu erwartende Leistungsklasse bei gegebener Öffnung gut ablesen. Öffnungsunterschiede und die daraus resultierenden Folgen auf die Wahrnehmung können aus den Strehlkurven nicht abgelesen werden.
Weiterhin muss zwischen einer gerechneten Strehlkurve aus dem Design und einer Kurve aus gemessenen Stützwerten am realen Objektiv unterschieden werden.
Die Rechnung aus den Schmelzdaten der verwendeten Gläser gibt die Grenzen des Designs vor, die es in der Fertigung möglichst gut zu erreichen gilt, jedoch in der praktischen Umsetzung mehr oder weniger abweichen kann.
Durch nicht exakt getroffene Radien leidet auch die Farbkorrektur, was je nach Größe der Abweichung erheblich sein kann. Erst die sorgfältige Verarbeitung verwirklicht das vorhandene Potential der gerechneten Strehlkurve.

Kurve Borg ED 77/510
Die Daten wurden einem veröffentlichen Prüfprotokoll von Wellenform.biz übernommen und grafisch visualisiert. Dieses Objektiv hat einen hervorragenden Strehlwert im Roten bei 656nm von 0,98 und einen gerechneten RC-Wert von 2,0.

Dieses Beispiel zeigt die Problematik das üblicherweise gewünschte Optimum in der Fertigung tatsächlich genau auf Grün (546nm) umzusetzen. Wäre das gelungen, würde die resultierende Strehlkurve einen höheren und damit besseren Verlauf nehmen. Der RC Wert von 2 steht bei einem vom Farblängsfehler dominierten Objektiv gerade noch für den Begriff „Halbapochromat“, der nach dem System von RC Werten dem Bereich 1- 2 vorbehalten ist.

Aus meiner Kunden-Erfahrung kann ich sagen, dass weniger farbempfindliche Augen, insbesondere von älteren Personen, bereits hier keinen erkennbaren Farbfehler wahrnehmen können. Ein farbempfindliches Auge kann sich jedoch an dem Farbfehler stören und z.B. am Mondrand einen Farbflaum deutlich sehen, welcher von anderen Personen nicht störend wahrgenommen wird.

Eine Kombination von guter Fertigung (Strehlwert bei Grün größer als 0,9) und einem RC Wert von ca. 2 kann für viele Beobachter in der visuellen Beobachtung bereits den Ansprüchen genügen. Beispielsweise für diese Geräteklasse sei hier der Skywatcher ED 150/1200 genannt. Fotografisch macht sich der RC-Wert durch Lichthöfe um Sterne bemerkbar, die höheren Anforderungen nicht genügen.

Kurve Astro-Optik-Manufaktur Zweilinser 130/1200

Diese Kurve liegt nahe an der Definition eines visuellen Apochromaten.

Der RC-Wert liegt unter dem Wert 1, jedoch setzt der Gaußfehler in den Nebenfarben zusätzlich Grenzen.
Im Fokus erscheint die Abbildung farbrein, intra- und extrafokal kann je nach Vergrößerung und Sternhelligkeit Farbe an den Fresnel-Ringen erkannt werden.

Fotografisch lassen sich in der Klasse bereits gute Ergebnisse erzielen, ein schwacher Halo um Sterne, insbesondere für „Violett“, ist zu erwarten.
Gemäß der verlinkten Definition verfehlen auch lichtstarke Dreilinser häufig dieses Limit, das nicht so leicht zu erreichen ist wie man vielleicht glauben möchte.

Hier eine Tabelle mit Messerwerten von Wellenform zu einem AOM 130/1200. Die Prüfwellenlängen unterscheiden sich zur verlinkten Definition in den Wellenlängen 480nm/486nm und 644nm/656mm.

Bei der Fertigung gilt es neben der optimalen Umsetzung des Designs bezogen auf die Farbkorrektur insbesondere die Aberrationen für Sphäre, Koma und Astigmatismus klein zu halten. Wenn sich hier ein Strehlwert ohne Abzüge von 0,95 und höher für die Hauptfarbe ergibt, kann von sehr guter Fertigung gesprochen werden. Den rechnerischen Wert von 1 wird man in der Praxis nie erreichen, im Ausnahmefall kann 0,99 erreicht werden.
Für die Nebenfarben ist in der jeweils zugedachten spektralen Bandbreite ein Strehlwert von 0,8 im Allgemeinen akzeptiert.

Kurve FLT 105/1000

Die Strehlwerte liegen im Bereich Violett bis Rot über der Beugungsgrenze. Wenn ein Apochromat selbt in der g-Linie bei 436nm noch Beugungsbegrenzt abbildet, was bei einem erweiterten Spektrum von 436nm bis 700 nm eine schwierige Aufgabe ist, so spricht man häufig von einem „Superapochromaten“.

Beispielsweise sei hier der FLT 105 näher beschrieben. Hier liegen die gerechneten Strehlwerte des Designs im visuell wichtigen Bereich von 480nm (0,996) bis 644nm ( 0,974 für 660nm) so hoch, dass die praktische Ausführung der Fertigung tendenziell eher die Leistung in dem Bereich limitiert als das Design. Die reale Abbildungsleistung ist natürlich eine Kombination aus Fertigung und Design, aber das Niveau des Designs liegt hier hoch.

Ein Merkmal ist die „weiße“ Abbildung von (weißen) Sternen. Selbst außerhalb des Fokus erscheinen die Fresnel-Ringe nahezu farbrein.
In der Strehlkurve sind Effekte wie die Transmission der Gläser, Ölfügung und Vergütungseingenschaften nicht berücksichtigt. Beim Beobachten auf der optischen Bank ist beim FLT105 das geringe Streulicht um den künstlichen Stern auffällig, sowohl in der geringen Helligkeit als auch im vergleichsweise kleinen Streulichtdurchmesser.

In Summe ergibt sich eine extrem gute Kontrastleistung. Die harte Abgrenzung z.B. beim Mondrand und die kontrastreiche, differenzierte Darstellung von feinsten Helligkeitsabstufungen und Farbtönen machen den Unterschied zu einem Apochromaten der Klasse „visueller Apochromat“ aus. Es braucht für die Wahrnehmung dieser feinen Details schon Beobachtungserfahrung, dann ist der Unterschied im direkten Vergleich zu erkennen. Das Suchen nach Farbfehlern ist nicht so zielführend bzw. bedeutend in dem Bereich, vielmehr der sichtbare Kontrastgewinn. Die Erfahrung lässt sich praktisch nur durch Vergleichsbeobachtungen unter gleichen Bedingungen sicherstellen.
Fotografisch sind Halo´s um Sterne nur noch in sehr geringem Umfang vorhanden. Werden Reducer oder Flattener bzw. Farbfilter eingesetzt, so ist der Einfluss des Objektivs kaum noch von Bedeutung.

Kurve Polychromat

Diese Kurve ist fiktiv gezeichnet worden. Durchaus gibt es aber Beispiele für Geräte dieser Klasse, bei dem die chromatische Aberration der Schnittweite für alle Wellenlängen korrigiert ist.
Hier sei der „Sonnar Superachromat 5,6/250CFE“ genannt. Das System ist von 400nm bis 1000nm korrigiert. Der Bereich grenzt an das UV Licht und reicht auf der anderen Seite bis ins Infrarote.
Es übersteigt somit den Bereich „Apochromat“, weil in dem Sinn „farbrein“ den spektralen Bereich einschränkt für welchen das Auge noch Wahrnehmung leisten kann. Ein Polychromat oder Superachromat bildet noch in Wellenlängen gut ab, die mit den Augen nicht mehr wahrgenommen werden können.

Nutzen lässt sich daraus vor allem fotografisch bei CCD oder CMOS Sensoren erzielen, die jenseits der spektralen Augenempfindlichkeit noch Quanteneffizienz aufweisen und wenn zusätzlich in den Wellenlängen eine beugungsbegrenzte Abbildung benötigt wird.
Für visuelle Beobachtung ist ein relevanter Vorteil zu einem Superapochromaten nicht mehr zu erwarten. Fotografisch unter sehr speziellen Anforderungen sind solche Systeme notwendig und können aufgrund der hohen Bandbreite universell eingesetzt werden

Fazit:

Die Übergänge der Typen: Halbapochromat, visueller Apochromat, Superapochromat oder Polychromat/Superachromat können anhand von Grenzen beschrieben werden. Praktisch sind die Grenzen anhand sichtbarer Merkmale fließend in den Übergängen und vom Beobachter nicht als harte Grenzen zu erkennen, wie Sie etwa eine Latte beim Stabhochsprung in übertragenen Sinne darstellen würde.
Der größere Einfluss für das Empfinden der Farbreinheit geht vom Beobachter selbst aus, so dass Beobachtungsberichte zur Farbreinheit immer subjektiv zu verstehen sind.